Leipertitz
Tschechischer Name: Litobratřice
Fläche: 2.225,46 ha
Einwohner 1910: 1.286 in 307 Häusern (1.279 dt. Ew.), 1930: 1.318 in 350 Häusern (1.256 dt. Ew.), 2010: 513.
heutiger Verwaltungsbezirk: Znojmo (Znaim)
Matriken: seit 1694
Grundbücher: seit 1700
Lage:
Leipertitz liegt 226 m über dem Meeresspiegel auf einem Plateau. Es ist umgeben von sanften Hügeln, Feldern und kleinen Wäldern.
Geschichte:
Die erste urkundliche Erwähnung unter dem Namen Lupratitz stammt aus dem Jahr 1278.
1395 war der Ort als Lonpraticz in Besitz der Benediktinerabtei Wilomow.
Das Dorf kam aber 1450 zur Herrschaft Mährisch Kromau (Moravský Krumlov) unter Heinrich von Leipa (Lipa). 1530 ist ein evangelischer Pfarrer nachgewiesen.
Im Dreißigjährigen Krieg wurde Leipertitz von kaiserlichen Truppen niedergebrannt, 1622 setzte die Gegenreformation ein und ab 1625 gelangte die Ortschaft an Carl von Liechtenstein. Schwedische Truppen vernichteten 1645 den 3 Kilometer südlich von Leipertitz gelegenen Ort Paulowitz. Nach einer Urkunde hatte der Ort einen Grundbesitz von 2.042 Metzen (die 391,66 ha entsprechen) der zur Gänze zu Leipertitz kam. Diese Grundstücke führten bis ins 20. Jh. den Namen „Paulowitz-ödes Dorf“.
Durch den reichlich vorhandenen, vielseitig fruchtbaren Boden (teilweise ‚Schwarzerde‘) hatten 292 landwirtschaftliche Betriebe ihr Auskommen.
1809 wurde Leipertitz von Franzosen geplündert.
1842 und 1860 wüteten Großbrände, die große Teile von Leipertitz vernichteten. 1842 brannte die gesamte Nordseite jenseits des Baches ab.
Leipertitz wurde nach der Aufhebung der Patrimonialherrschaft um 1850 Bestandteil des neuen politischen Bezirkes Nikolsburg (Mikulov) der von 1938 bis 1945 unter den Nationalsozialisten zum Kreis Nikolsburg erweitert wurde.
1866 wurden preußische Soldaten im Ort einquartiert. Sie schleppten die Cholera ein an der viele Leipertitzer starben.
Zum 50. Regierungsjubiläum Kaiser Franz Josephs I. im Jahr 1898 wurde die „Kaiserallee“ angelegt.
1923 wurde die Ortsstraße gepflastert.
Rekordwerte für den Ort erreicht die Temperatur im Februar 1929, als sie auf minus 33 Grad Celsius fiel.
Während der „Sudetenkrise“ 1938 wurden fünf Leipertitzer als Geiseln auf dem Spielberg in Brünn (Brno) inhaftiert.
Während des Zweiten Weltkrieges im Herbst 1944 wurden Feldarbeiter bei einem Flugzeugangriff beschossen. Im Februar 1945 wurde die Ortschaft als Verteidigungsstützpunkt ausgebaut. Die Bevölkerung wurde am 8.April evakuiert und kehrte innerhalb von 3 Tagen in ihre Häuser zurück. Während der Kampfhandlungen und durch Unfälle kamen drei Frauen, 30 Soldaten und 5 Kinder ums Leben.
Vertreibung 1945/46:
Am 20. Mai kamen tschechische „Revolutionsgardisten“ in die Ortschaft. Getreide und Vieh wurden beschlagnahmt.
Am 11.August wurden sieben Familien nach Österreich vertrieben und am 17. September weitere 72 Männer und Frauen zur Zwangsarbeit ins Landesinnere verschleppt. Nach diesen Ereignissen flohen viele Leipertitzer nach Österreich. Im Dezember 1945 wurde dabei eine Frau erschossen, ein Mann beging Selbstmord.
Die endgültige Vertreibung fand in mehreren Wellen vom 8. März 1946 bis zum 25. Juli statt. Insgesamt betraf sie 646 Personen die nach ihrer Ankunft in Westdeutschland nach Bayern, Württemberg, Baden und Hessen weiter zogen.
Es kam auch zu Siedlungsbauten u.a. in Göppingen, Daisbach und Großgartach.
In den 1950er Jahren wurden in Leipertitz viele der Bewohner des von der Talsperre Vír überfluteten Dorfes Korouhvice (Korowitz) angesiedelt.
1974 bestand die Ortschaft nur noch aus 158 Häusern.
1995 wurde der Ortsfriedhof von ehemaligen deutschen Leipertitzern aus Österreich renoviert und ein Gedenkstein anstelle eines Soldatendenkmals gesetzt.
Wirtschaft und Infrastruktur:
Landwirtschaft: Der Großteil der Leipertitzer lebte von der Vieh- und Landwirtschaft wobei der Weinbau mit 30 ha eine besondere Rolle spielte. Daneben gab es auch Obstanbau sowie Fischzucht und Jagd.
Gewerbe: Ziegelei und Kleingewerbe.
Einrichtungen: Gemeindebücherei (1912), Postamt (1894), Badehaus am Ortsteich (1895), Autobusverkehr nach Nikolsburg (Mikulov) und Znaim (Znojmo) (1926), Freiwillige Feuerwehr (1886), Raiffeisenkasse (1892) und Milchgenossenschaft (1925).
Die Elektrifizierung erfolgte 1926.
Schulen: Schon 1674 bestand eine Schule mit einer Klasse. 1818 wurde ein neues Schulgebäude errichtet. Dieses brannte allerdings beim Brand von 1842 völlig ab. Von 1869 bis 1888 wurde die neue Schule auf vier Klassen erweitert und war kurzzeitig nach 1938 Hauptschule.
Kulturerbe:
Pfarrkirche St. Georg (urkundlich 1278): 1790 frühklassizistisch neu erbaut mit Verwendung des Turmes und Teilen der Nordseite des alten Gebäudes. Der Turm, der früher einen gemauerten Rundgang hatte, wurde 1881 erhöht und mit Kupferblech eingedeckt. Der 1856 erneuerte Hochaltar mit Bild des Kirchenpatrons von dem Wiener Maler Stiassny aus dem Jahr 1912. Seitenaltar (Marienaltar) mit Marienstatue aus dem Grödner Tal. Sehr alter Taufbrunnen aus Stein. Holzgeschnitzte Kanzel aus neuerer Zeit. 1926 neue Fenster mit schönen Glasmalereien: Herz Jesu, Herz Mariae, Mariae Opferung, Mariae Heimsuchung, gegeißelter Heiland, Cyrill und Methud. Sehr alte holzgeschnitzte Statue der schmerzhaften Mutter Gottes von Maria Dreieichen und aus neuerer Zeit Statue der unbefleckten Empfängnis. Am Stiegenaufgang zwei künstlerisch wertvolle Statuen des hl. Josef und des hl. Antonius v. Padua aus 1730. An der Turmseite der Kirche Steinsäule der unbefleckten Empfängnis. Im Ersten Weltkrieg wurden drei Bronzeglocken eingeschmolzen und durch zwei Stahlglocken 1920 ersetzt. Zwei der eingeschmolzenen Glocken waren 1839 von Stefan Gugg in Znaim (Znojmo) gegossen, während die dritte Glocke 1824 von Anton Aufheimer in Znaim (Znojmo) gegossen worden war.
Pfarrhaus: von 1674, 1842 abgebrannt.
Verschiedene Säulen und Bildstöcke: hl. Dreifaltigkeit (1870); Johannes von Nepomuk (1743), Hl. Familie (1780).
Besonderheit:
Im Ort gibt es zwei schwefelhaltige Quellen bzw. Brunnen, die allerdings nie für Heilzwecke genutzt worden waren. Erst 1995 wurden Untersuchungen angestellt, die einen großen Heilwassersee unter der Ortschaft entdeckten.
Ebenfalls erwähnenswert sie unterirdische Gänge (Erdställe), die entlang der linken Häuserzeile verlaufen.
Siegel:
Das älteste Siegel stammt aus dem Jahr 1599. Es zeigt den Kirchen- und Gemeindepatron, den heiligen Georg, zu Pferd bei der Tötung des Drachen. Die Umschrift lautet: *SIGILLVM*ZV.LOPERTITZ*1599*.
Persönlichkeit:
- Wilhelm Matzka (*04.11.1798 Leipertitz, +09.06.1891 Prag), Mathematiker, Universitätsprofessor in Prag.
heimatkundliche Literatur:
- Zabel, Johann: Leipertitz. 1955.
- Fink, Leopold: Leipertitz. 1999.
Weblinks:
- Offizielle Gemeindeseite (deutsch)
- Beschreibung auf Wikipedia
- Video über die Renovierung des Ortsfriedhofes.
Genealogie:
zurück zum Ortsnamenverzeichnis deutsch, zurück zum Ortsnamenverzeichnis tschechisch