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Mißlitz

Tschechischer Name: Miroslav

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Ansicht von Misslitz

Dorfansicht von Misslitz

Fläche: 3.243 ha (mit dem eingemeindeten Deutsch-Könitz).

Einwohner 1910: 3.507 in 669 Häusern (3.129 dt. Ew.), 1930: 4.417 in 999 Häusern mit dem eingemeindeten Deutsch Könitz (1.960 dt. Ew.), 2010: 2.981.

heutiger Verwaltungsbezirk: Znojmo (Znaim)

Matriken: seit 1695.

Lage:

Miroslav liegt auf 260 m Meereshöhe und wurde als Dreiecksanger angelegt. Nachbarorte sind Damitz (Damnice) im Südosten, Socherl (Suchohrdly u Miroslavi) im Osten, Aschmeritz (Našiměřice) im Nordosten, Miroslavské Knínice im Norden, Kodau (Kadov) im Nordwesten und Hosterlitz (Hostěradice) im Westen.

 

Geschichte:

1222 wurde Mißlitz als „Mitterdorf“ urkundlich zu Stift Raigern gehörig erstmals erwähnt. Seit 1239 ist auch eine Pfarre belegt, 1384 wurde eine Wasserburg urkundlich genannt.

Im 15. Jh. dürfte es eine jüdische Gemeinde gegeben haben, deren Mitglieder wahrscheinlich ein Teil der unter Ladislaus Posthumus 1454 aus Olmütz (Olomouc), Brünn (Brno), Znaim (Znojmo), Iglau (Jihlava) und Neustadt (Uničov) vertriebenen Juden waren. Erste jüdische Einwohner sind schon 1332 belegt.

Zwischen 1497 und 1569 gehörte Mißlitz den Valecký von Mirov. Unter ihnen wurde die Burg zu einem Schloss im Stil der Renaissance umgebaut. 1533 wurde Mißlitz von Ferdinand I. zum Markt erhoben.
Bereits im Jahr 1565 bildeten die Dörfer Mißlitz (894 ha) sowie Böhmdorf (663 ha) und Wenzeldorf (806 ha) einen Marktflecken, 1533 mit der Benennung „Mißlitz“.

Im 16. Jh. wurde der Ort lutherisch und blieb es bis die Gegenreformation um 1620 durch die Jesuiten einsetzte. Im Dreißigjährigen Krieg wurde Mißlitz von kaiserlichen Truppen 1619 geplündert, 1645 auch von den schwedischen Truppen.
Die sogenannten „Schwedenschanzen“ und „Schwedenlöcher“ – Erdställe und Höhlen – die heute noch zu sehen sind, könnten zum Schutz von der Bevölkerung gegraben worden sein. Im Ort blieben viele verwundete schwedische Soldaten zurück, manche von ihnen starben hier, anderer wurden sesshaft. Daher gab es in Mißlitz auch die „Schwedengräber“.

1692 gelangte Mißlitz an das Kloster Bruck, bei dem es bis 1784 verblieb.
1696/97 litt die Mißlitzer Bevölkerung unter einer Pestepidemie. 1694 gelangte Mißlitz in den Besitz von Kloster Bruck.

Die „Judengasse“ und eine 1790 belegte israelitische Schule weisen auf ein jüdisches Viertel hin, das wahrscheinlich schon seit 1726 als Nachfolger der alten mittelalterlichen Siedlung bestanden hatte.

Das 18. Jahrhundert war in Mißlitz von Großbränden gekennzeichnet (1763, 1776, 1794, 1798 und 1799)

1805 und 1809 waren französische Truppen in Mißlitz einquartiert. 1831 wurde ein Mißlitzer erster jüdischer Schlosser Mährens mit Meisterbrief.
Um 1866 lebten ca. 1.000 Juden in Mißlitz. Die Kultusgemeinde war von 1867 bis 1924 eine selbständige politische Gemeinde und verwaltete sich selbst bevor dies von der Gemeinde Mißlitz übernommen wurde.

1824 erwarb Joseph Edler von Hopfen Mißlitz, dessen Familie die Herrschaft bis 1848 inne hatte.
Im 19. Jh. wütete dreimal eine Choleraepidemie (1832, 1836 und 1849).

Die Gemeinde wurde 1899 um Böhmdorf und 1908 um Wenzeldorf erweitert.
Im Ersten Weltkrieg fielen 92 Mißlitzer.
Nachdem der Ort 1918 zur neuen Tschechoslowakei gekommen war wurden deutschmährische Beamte im Ort durch tschechische ersetzt. 1923 wurde die mehrheitlich tschechischsprachige Gemeinde Deutsch Könitz, die ca. 700 Einwohner hatte, nach Mißlitz eingemeindet. Die jüdischen Einwohner, die 1924 eingemeindet wurden, schlossen sich aber zum Großteil der deutschen Fraktion an.
Tschechische und deutsche Gemeinderäte hielten sich in den nächsten Jahren, was ihre Anzahl betrifft, die Waage.

Vor der Angliederung an das nationalsozialistische Deutsche Reich im September/Oktober 1938 war bereits ein Großteil der jüdischen Einwohner in die übrig gebliebene tschechoslowakische Republik geflohen. Viele von ihnen wurden später nach der Besetzung des restlichen tschechischen Gebietes und der Errichtung des „Protektorats Böhmen und Mähren“ unter NS-Herrschaft in Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert. Nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Mißlitz wurde ein Teil der Häuser in der Judengasse abgerissen.
Bei einem Luftangriff am 7. Mai 1945 kamen 42 Zivilisten und 50 Soldaten um, mehrere Nutztiere wurden getötet. Nach dem Einmarsch der Sowjets kam es zu Plünderungen und Vergewaltigungen.
Im Zweiten Weltkrieg fielen 97 Mißlitzer, 40 blieben vermisst.

Vertreibung der deutschen Bevölkerung 1945/46:
Nach der Besetzung des Ortes durch sowjetische Truppen gingen tschechische „Revolutions-Gardisten“ gegen die deutschen Einwohner von Mißlitz vor. Einige wurden im Schloss zusammengetrieben, misshandelt und zur Zwangsarbeit verschleppt. Ein Polizeimeister wurde ermordet. Während ein Teil im August 1945 entlassen wurde, wurden die anderen ins Bezirksgefängnis nach Mährisch Kromau (Moravsky Krumlov) gebracht und von dort weiter Ende März 1946 ins Gerichtsgefängnis von Znaim (Znojmo) transportiert. Eine Person verhungerte in der Haft. Vom 14. Februar bis Juni 1946 wurden die deutschen Mißlitzer vertrieben. Ende 1947 wurden auch die letzten elf, die zu Freiheitsstrafen verurteilt worden waren, entlassen.

Seit 1965 führt Mißlitz Stadtrechte.

Das Kreuz auf dem Markusberg wurde auf Initiative der ehemaligen vertriebenen Mißlitzer aus Deutschland und Österreich erneuert und am 24. Juli 1994 unter Beteiligung der tschechischen Bevölkerung eingeweiht.

Wirtschaft und Infrastruktur:

Landwirtschaft:
Angebaut wurden um 1900 auf ca. 1.971 ha (die Fläche wuchs nach der Eingemeindung von Deutsch Könitz) Getreide, Zuckerrüben, Mais, Kartoffeln, Hülsenfrüchte und Gemüse. Ebenso waren Wein- und Obstbau verbreitet. Der Weinbau nahm mit 118 ha sogar eine nicht ganz unbedeutende Rolle ein.

Gewerbe: Gutshof, Ziegelei, Mühlen, Steinbrüche und Sägewerk, obstverarbeitende Großbetriebe, Landwirtschaftliche Maschinenfabrik und Molkerei, zahlreiche Händler (Holz, Getreide, Obst, Gemüse, Tuch- und Schuhgeschäfte) und Handwerker.

Einrichtungen: Postamt 1920, Bahnstation 1869 (mit Omnibusverbindung), Gendarmerieposten 1876, Finanzwachabteilung 1912, Kino, zwei Armenhäuser, Feuerwehrzeughaus, Schwimmbad 1929, Elektrifizierung 1922, vier Ärzte, zwei Dentisten, Apotheke.

Schulen: Volksschule (davor Kirchschule 1653), 1725 im alten Pfarrhaus, 1842 erweitert, 1881 Neubau, 1889 Zubau. Bürgerschule 1903 (auch für die umliegenden Ortschaften). Allgemeine Fortbildungsschule 1909 in die Bürgerschule integriert. Kindergarten 1912. Private tschechische Volksschule mit Kindergarten 1908. Tschechische Minderheitsschule 1931. Tschechischer Kindergarten 1910. Zweiklassige israelitische Volksschule Mitte des 19. Jh.

zahlreiche Vereine (Freiwillige Feuerwehr 1880, Kinskyscher Militärveteranenverein 1880, Männergesangsverein 1886 (später gemischter Chor), jüdischer Gesangsverein, Spar- und Vorschußverein 1891, Spar- und Darlehenskassenverein 1900, Verschönerungsverein 1901, Bienenzuchtverein 1902, Ortsverband für Rinderversicherung 1903 u.a.).

Wappen:

In rot ein halber silberner Adler mit zwei natürlichen Weintrauben. Später rot bewehrter, schwarzer Adler auf goldenem Grund in der einen, Weinrebe und zwei blaue Trauben auf silbernem Grund in der anderen Schildhälfte.

Kulturerbe:

Pfarrkirche St. Peter und Paul: seit 1239 bestehend zählt sie zu den ältesten Kirchen im Land. Umbau 1486. Jetziger Bau aus 1722/29 in älterer Formensprache als Saalkirche mit Westturm. Stichkappentonnengewölbtes Schiff, ebenso gewölbter Chor mit Dreiachtel-Schluss. Hochaltar, zwei Seitenaltäre, Kanzel und sechs Bilder erste Hälfte 18. Jh; rechter Seitenaltar und Orgel 17. Jh.; Rokokobänke Mitte 18. Jh.

Schloss: Unregelmäßige, auf mittelalterliche Grundrisse zurückgehende, meist zweigeschossige Wohnflügel aus der ersten Hälfte des 16. Jh. auf hohem Felsen. Das turmartig aufragende Hauptgebäude schließt mit den Nebenflügeln einen unregelmäßigen Hof ein. Im Hof barockes Tor und Renaissancetor mit Umrahmung, die an Astwerkgotik erinnert.

Evangelische Kirche aus 1846, klassizistischer Bau z. T. mit neobarocken Formen, platzlgewölbt, halbkreisförmige Apsis; klassizistische Einrichtung.

Synagoge: aus 1845, mit Schule (Unterricht in Deutsch und Hebräisch), Gemeindekanzlei, Wohnung der Kultusbeamten.

Kloster der Hedwig-Schwestern: Mutterhaus in Frischau (vier Nonnen).

Pfarrhof: Zweigeschossig mit schönem Tor und Doppelfenster 1732. Floriani-Statue aus 1676.

Bildsäulen, Statuen: hl. Johannes von Nepomuk 1676, hl. Florian, Kreuze an Kodauer, Hosterlitzer und Aschmeritzer Straße sowie auf dem Markusberg.

Rathaus 1914

Kaiser-Franz-Joseph-Denkmal 1908 (1918 zerstört).

Besonderheit:

Als am Mißlitzer Marktplatz in der Nähe der Gemeindekanzlei der Boden plötzlich einstürzte, untersuchte man das Erdreich und fand sogenannte Erdställe, Gänge in denen man in gebückter Stellung gehen konnte und deren Wände mit leuchterartigen Eisenstücken besetzt waren. Derlei Gänge waren zumeist auch Zufluchtsorte der Bevölkerung während kriegerischer Auseinandersetzungen in und um den Ort.

Persönlichkeiten:

  • Fritz Benesch (*12.April 1868, +29.Juni 1949 in Wien), Jurist, Alpinist, Schriftsteller und Fotograf.
  • Hans Kromas (*11.Dezember 1870; +?), Lehrer und Komponist.

heimatkundliche Literatur

  • Elbling, Hygin: Ortsgeschichte der Marktgemeinde Mißlitz, 1973.
  • Elbling, Hygin: Geschichte der Judengemeinde Mißlitz, 1978.

Weblinks:

Genealogie:

Blum, Robert: Personenverzeichnis Mißlitz

 

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