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Böhmisch Rudoletz

Kirche hl. Johannes des Täufers

Schloss auf einer Ansichtskarte aus den 1930er Jahren

Das Schloss heute

Tschechischer Name: Český Rudolec

Fläche: 792 ha

Einwohner 1910: 524 in 103 Häusern (504 deutsch), 1930: 506 in 102 Häusern (288 deutsch), 2010: 955.

heutiger Verwaltungsbezirk: Jindřichův Hradec (Neuhaus)

Matriken: seit 1652.

Lage:

Das Dorf liegt 8,5 km nordnordwestlich von Zlabings (Slavonice) in einem von Wald umgebenen Talkessel in 510 m Seehöhe.

Geschichte:

Nach archäologischen Funden dürfte der Ort bereits um die Mitte des 13. Jh. angelegt worden sein und wurde nach einem Rudolf benannt. Die älteste urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahr 1343. 1353 sind eine Burg und die Pfarre belegt. Bis 1406 war Rudoletz im Besitz der Markgrafen von Mähren und gehörte zur gleichnamigen Herrschaft.

Ab 1567 wurden evangelische Pfarrer genannt. Während des Dreißigjährigen Krieges im 17. Jh. wurde Rudoletz mehrmals verwüstet und geplündert. Erst allmählich wurde der Ort wieder besiedelt.

1673 erwarb Margarethe Gräfin von Trautensohn-Falkenstein die Herrschaft über den Ort. Unter ihr wurde das Schloss ausgebaut. 1721 erfolgte der Namenszusatz „Böhmisch“. Unter Maria Theresia von Trautensohn-Falkenstein erlebte Böhmisch Rudoletz bis 1741 eine Blütezeit in der Schlossmühle, Brauerei und Sägewerk entstanden.
1775 kam es zu einem Aufstand der Bauern wegen des Robot. Da die Bewohner aber bald um Verzeihung baten, mussten sie nur eine Einquartierung von Soldaten als Bestrafung über sich ergehen lassen. Ende des 18. Jh. wurde am „Silberberg“ nach Silber gegraben.

Unter den seit 1810 im Besitz der Herrschaft seienden Grafen Rasumowski wurde ein Eisenhüttenwerk errichtet. Unter Lew Rasumowski erhielt das Schloss einen Uhrturm. 1856 wurden die Ritter von Picchioni Besitzer des Schlosses.

In den 1920er Jahren entstanden tschechische Schulen (Volks- und Bürgerschule) im Ort die zu einem Großteil von den Kindern des Personals der Forstdirektion besucht wurden.

Politisch gehörte Böhmisch Rudoletz vom 19. Jh. bis 1938 zum Bezirk Datschitz (Dačice). Zuständiger Gerichtsbezirk war Zlabings (Slavonice). In der NS-Zeit war es von 1938 bis 1945 Bestandteil des Kreises Waidhofen a.d. Thaya.

Vertreibung 1945/46:
Alle deutschen Bewohner wurden zwischen dem 28. und dem 30. August 1945 von „Revolutionsgardisten“ und durch den Národní výbor über Zlabings (Slavonice) nach Österreich vertrieben. Drei deutsche Bewohner wurden verhaftet und in das Gefängnis des Bezirksgerichtes Datschitz (Dačice) gebracht. Einer von ihnen war drei Jahre lang in Iglau (Jihlava) inhaftiert. Einer Frau, die ein Jahr in Iglau (Jihlava) festgehalten worden war, musste ein russischer Offizier zu Hilfe kommen, als sie von Halbwüchsigen misshandelt wurde. Ein junger Mann wurde erhängt. Eine Frau starb an den Folgen von Misshandlungen.
Einige Familien mussten als Zwangsarbeiter im Ort zurückbleiben und wurden ein Jahr später ausgewiesen.
Von den Vertrieben konnten 31 Familien in Österreich bleiben, während 40 Familien 1946 nach Deutschland (Baden-Württemberg, Bayern, Hessen) abgeschoben wurden.

Zur Gemeinde gehören außer Böhmisch Rudoletz heute die Ortsteile Horní Radíkov (Ober Radisch), Lipnice (Lipnitz), Markvarec (Markwarding), Matějovec (Modes), Nová Ves (Neudorf), Nový Svět (Neuwelt), Radíkov (Unter Radisch), Rožnov (Rosenau), Stoječín (Stoitzen) und Peníkov (Pönigenhof).

Wirtschaft und Infrastruktur:

Landwirtschaft: Ackerbau und Viehzucht sowie Teichwirtschaft (Karpfenzucht).

Gewerbe: zwei Sägewerke, Mühle, drei Gutshöfe (Rudoletz, Neudorf, Pönigen), Handwerk und Kleingewerbe.

Schulen: deutsche Volksschule (1788 gegründet, Neubau 1878, zweiklassig), einklassige tschechische Volksschule (1920), vierklassige tschechische Bürgerschule (1922).

Einrichtungen: Gemeindearmenhaus, Schüttkasten, Postamt (1860), Gendarmerieposten (1882), Freiw. Feuerwehr (1895), Raiffeisenkasse (1910).

Kulturerbe:

Pfarrkirche St. Johannes d. Täufers: Pfarre 1343 urkundlich genannt, zweischiffige kreuzrippengewölbte Hallenkirche. Sternrippengewölbter Chor mit 5/8-Schluss aus dem 15. Jh. Westturm mit Zwiebelhelm 17. Jh. Tor, Sessionsnische und Westempore gotisch 15. Jh.; Neugotischer Hochaltar mit barockem Dreikönigsbild 18. Jh.; Rokokokanzel; Renaissancegrabstein mit Reliefs der Stifterfamilie, Christus und Engeln 1583; Wappengrabsteine 17. Jh.; Gruft 1599. Altarbilder Joh. v. Nepomuk und hl. Karl Borromäus von Kaspar Franz Sambach. Altäre mit Holzschnitzwerken aus Gröden und Paris; steinernes Taufbecken aus 1484.

Schloss: Ein schon im 14. Jh. erwähntes und später ausgebautes eingeschossiges Wasserschloss wurde 1856 durch Feuer zerstört. In diesem Jahr kaufte Michael Angelo Ritter von Picchioni Schloss und Gut Böhmisch Rudoletz und ließ anstelle des alten Wasserschlosses ein neues Schloss mit einem viergeschossigen Vierflügelbau im Tudor-Stil mit einem 28 m hohen Turm erbauen. Es ähnelte dem Schloss Hluboká (Schloss Frauenberg) in Böhmen und erhielt daher den Namen „Klein Hluboká“ oder „Mährisches Hluboká“. Es wurde allerdings nach 1945, nachdem der letzte Besitzer Ernst Ritter von Picchioni enteignet worden war, dem Verfall preisgegeben. Erst in den letzten Jahren erfolgten an der Schlossruine Konservierungs- und Renovierungsarbeiten.

Friedhofskapelle Hl. Kreuz aus dem Jahr 1761.

Interessant in der Umgebung von Böhmisch-Rudoletz ist der Teufelsstein, ein bekanntes Ausflugsziel. Der Sage nach hätte der Teufel dem 1,60 m hohen Stein die Form eines Riesenkopfes gegeben.

heimatkundliche Literatur:

Jungmann, Johannes: Erinnerung an Rudoletz, 1947.

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